Im Auftrag der Tiroler Straßenzeitung fotografiere ich besondere Menschen, die mir in Tirol begegnen. In den Bildern zeige ich den Alltag und halte Stimmungen fest. Ungeschönt und doch achtsam. Mich interessiert was die Menschen begeistert und was sie bewegt. Die kurzen Bildbeschreibungen halten die Gedanken der Personen fest.
Das Fotoprojekt ist noch nicht abgeschlossen und wird 2023 als Buch erscheinen. Wenn Sie eine Person kennen die zu diesem Projekt passt, können Sie sich gerne bei mir melden. Ich bin für jede Empfehlung sehr dankbar.
Nachfolgend ein paar Einblicke.
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Oktober 2021
Ach, das Leben ist schön.
Wenn Paula erzählt, mischen sich englische Wörter in ihren Lechtaler Dialekt. 1939 in London geboren, hat sie vom Krieg vor allem eine Gasmaske in Erinnerung, die man ihr als kleines Kind in die Hand gedrückt hatte. Später, als Forschungsassistentin und Archäologie-Studentin, sollte sie zu einer Exkursion nach Israel fliegen – da brach der Krieg aus. Stattdessen also Schifahren im Lechtal, wo sie sich in August verliebte, den einzigen englischsprachigen Skilehrer. Gemeinsam übernahmen sie seinen elterlichen Hof und Paula wurde Bergbäuerin statt Archäologin. „Ich hab die meisten Kälber auf die Welt gebracht“, erzählt sie lachend. Nach Augusts Tod engagierte sich die 8-fache Oma und Leihoma ehrenamtlich. 16 Jahre lang schenkte sie frühgeborenen Säuglingen an der Innsbrucker Klinik das Wichtigste: Aufmerksamkeit.
Paula Feuerstein, Geb. 1939
September 2021
„Man muss den Finger in die Luft halten und schauen, woher der Wind kommt.“
Der Bauernbub Engelbert war ein Nachzügler und seine älteren Geschwister wussten immer besser, was für ihn richtig sei. Aber er wollte selbst entscheiden. Also ist er mit 20 Jahren nach Australien gereist – eine kleine Tasche im Gepäck und kaum ein Wort Englisch. Danach Asien, Südamerika (aus Peru kommt übrigens der Hut), der Norden. Egal ob bei der Fahrt mit dem Zug des Todes durch Brasilien, bei der Tour mit dem 18-Gang-Rad durch Alaska oder auf der Reise mit dem Postschiff vom Nordkap nach Hause. Seinen Weg hat der Hirte immer gefunden.
Engelbert Holzknecht, geb. 1966
Juli/August 2021
„Das Negative scheint leichter zu sein, es bewahrheitet sich aber nicht.“
Ja, sie ist gegen Abtreibung. Mit der Befruchtung entsteht im Körper einer Frau ein neues Leben, ein neues Geschenk, sagt Schwester Dominika. Jeder habe einen ganz persönlichen Auftrag. Sie spürte ihren schon mit 16 Jahren. Da wusste sie, dass sie Schwester werden würde. „Ein Leben für Gott – und für andere.“ Jeden Morgen entscheide sich, welchen Weg man gehen möchte. „Stellst du dich in den Dienst der anderen, dass sie sich entfalten können, gewürdigt werden, Heimat und Wohlwollen erfahren?“ Auch für sie ist das eine tägliche Herausforderung.
Schwester Dominika, Geb. 1935
Juni 2021
„Jeder Mensch kann aufstehen, aber nicht unendlich oft.“
Faulheit? Das ist für die junge Frau eher eine schlechte Angewohnheit als eine Eigenschaft. Sie engagiert sich in der Pfarre Allerheiligen und der mk; legt dabei ungern eine Rast ein. „Danach kann man sich schwer wieder aufraffen.“ Da spricht eine Jugend aus ihr, die sie als Bonus erkennt: „Wir dürfen noch so viel probieren.“ Doch der Druck ihrer Generation gegenüber sich, den Eltern, der Gesellschaft sei groß. Sie selbst braucht Sport zum Ausgleich, und was zum Denken. Ihre Gedanken nicht auszusprechen, auch darüber, dass sie queer lebt – das fiele ihr gar nicht ein. Ein Glück, dass es in ihrem Umfeld viel Wichtigeres gibt.
Eva Rauch, geb. 10.04.1999
November 2020
„Bei 4.000 Geburten hab ich aufgehört zu zählen. Wichtig ist etwas anders.“
Susanna Wagner hat sich vor 33 Jahren als Hebamme selbstständig gemacht und versucht seither, immer ihr Bestes für Mutter und Kind zu geben – schon bevor die Wehen losgehen. Eine Arbeit, bei der man mit dem Unvorhergesehen umgehen muss: Fast hätte sie das Foto-Shooting absagen müssen, sie kommt direkt von einer Geburt zum Termin. Wenn sie durch Innsbruck fährt, wird sie sentimental, im Kopf hat sie zu fast jedem Haus eine Familie und eine Geschichte. Etwa, wie mit dem Feuerwehrkran eine Frau aus der Wohnung gehoben werden musste. „Viele lustige Erinnerungen sind das, denn das Schöne bleibt zum Glück zurück.“